Wir erinnern uns. Juni 2013. Angela M. proklamiert „Das Internet ist für uns alle Neuland!“. Aber was hätten wir für eine Bundesregierung, wenn man sich den Herausforderungen dieses Neulands nicht stellen würde?
Nein! Unerschrocken macht man sich auf, das Dickicht dieses Neulands zu lichten, Schlagworte wie LSR, Vorratsdatenspeicherung, Störerhaftung und ganz neu „Digitale Agenda“ zeugen vom ungebrochenen Willen, Herr der Lage zu werden, in diesem Neuland.
Das Wort „Agenda“, so strahlend hell im Dickicht der ansonsten doch so wagen politischen Formulierungen, so wie die Agenda 2010 Synonym des sozialen Aufschwungs wurde, sehe ich die Digitale Agenda schon als Synonym Deutschen Aufbruchswillens und Deutscher Innovationskraft!
Der Inhalt, voll ungebrochener Eindeutigkeit, sagt klar „Es muss was passieren!“.
Die Rede ist von „Breitband für alle bis 2018“. Was genau denn nun Breitband ist, wird auch klar definiert! 50Mbit SIND Breitband! Und niemand hat natürlich anzuzweifeln, dass 2018 50Mbit als Breitband betrachten werden.
Und wo ein Ziel definiert ist, da dürfen natürlich auch konkrete Maßnahmen nicht fehlen! Zusammengefasst sehen die konkreten Maßnahmen der Digitalen Agenda ungefähr so aus: „Ja, machen müssma scho was, also… könntma… also…. solltma… aber was jetzt genau… ausbau’n halt, das wird scho irgndwie…“
Würde man mit so einer Agenda als Geschäftsplan ein Darlehen bei einer Bank beantragen, die würden einem glatt nen Vogel zeigen. Bestenfalls. Schlimmstenfalls wiesen sie einen wohl sogleich in die Psychiatrie ein. Eine „Agenda“, die nicht Schritte und Wege aufzeigt sondern nur irgendwelche Ziele ohne Herleitung definiert? Sowas nennt man in Kinderkreisen einen Wunschzettel.
Aber da ist ja noch mindestens eine zweite große Schiene, die Sache mit der Sicherheit. Hackerangriffe sollen von Unternehmen gemeldet werden! Aber nicht von allen! Nein, die befürchtete Totalkontrolle ist das nicht, nur ausgewählte Unternehmen wie Energieversorger, Wasserwerke, Telekommunikationsunternehmen…
Halt, Moment? Telekommunkationsunternehmen? Nennts mi blääd, aber für mich klingt das potentiell dann doch wieder nach „alle“, wo doch alle relevanten Datenströme durch die Server der Telekommunikationsunternehmen rauschen… hmm… neeein… natürlich nicht alle, weil… der Normalnutzer muss an nicht melden, er wird halt gemeldet. DAS ist doch was völlig anderes.
Und dann sollen also Großunternehmen die als AG organisiert sind Cyberattacken melden. Klar. Das ganze, ohne sich mit seinen Shareholdern abzustimmen. Ob das wohl geht? Naja, wahrscheinlich schon. Es wird ja nur Behörden gemeldet. Nicht publik. Wäre ja noch schöner, wenn B ü r g e r sich ein Bild machen könnten…
Aber sicher weiß man schon genau, was denn konkret mit den Erkenntnissen erreicht werden sollte, die so gefunden werden, wie diese Erkenntnisse benutzt werden, um dieWelt sicherererer zu machen. Also, auf jeden Fall wird man schon irgendwas mit den Daten anfangen können, die so gesammelt werden…
Angenehmerweise kommt diese Digitale Agenda nicht auf die Idee, sich selbst zu ernst zu nehmen. Immer wieder widerspricht sie sich mit schelmisch blitzenden Augen selbst, nimmt sich selbst den Wind aus den Segelnund hält sich selbst den Spiegel vor. Das ist symphatisch.
Am Ende hat man das Gefühl, ein tolles Satirisches Gesamtkunstwerk vor sich zu haben, das jeder in sich schlüssigen Logik schuldig bleibt. Gekrönt wird diese geniale Farce davon, dass es keinerlei Anhaltspunkt gibt, WIE denn nun all die hehren Wünsche umgesetzt geschweige denn finanziert werden sollten.
Nach meiner ersten schludrigen Durchsicht jedenfalls bin ich überzeugt, dass die Digitale Agenda ähnlich leuchtfeuerhaft über der digitalen Entwicklung unseres Landes strahlen wird, wie es die Agenda 2010 über der sozialen Gerechtigkeit tat und tut…
In diesem Sinne, volle Kraft zurück!
Was das Thema Neuland in Deutschland anlangt, ist dies wie bei einem Kochtopf, in dem die feinste Schulter nicht gebruzzelt, sondern aufs Gröbste zu Suppenfleisch zerkocht wird.
Ist man kein Koch, sollte man sich bekochen lassen.
Diese Debatte zeigt wieder einmal, wie ahnungslos die derzeitige Deutsche Regierung ist, Bürger-Rechte und Technische Notwendigkeiten der Zukunft in Einklang zu bringen. Auf jeden Fall wird in einigen Büros der Sektkorken knallen …