Mehr Sicherheit verteidigt die Freiheit

Ereignisse wie Boston schlagen tiefe Kerben in das Weltvertrauen der Menschen überall. Von hysterischen Reportern gehetzt übertragene Bilder von gewaltsam erlöschendem Leben paralysiert, lässt uns alle den Wunsch verspüren, etwas zu unternehmen, zu verhindern, dass soetwas uns oder irgendjemand anderem je wieder passieren kann.

Was wir dabei vergessen: Es sind Einzelereignisse, keine Massenphänomene, die wir da multimedial aufbereitet unter dicken Schlagzeilen präsentiert bekommen. Es sind wenige, die solches anrichten. Auch heute noch ist meines Wissens nach die Chance, in den USA von einem Polizeibeamten im Dienst getötet zu werden größer als die, einem terroristischen Akt zum Opfer zu fallen. Die Chance, einen größeren Lottogewinn zu erhalten größer, als einem Anschlag wie in Boston zu erliegen. Mein Mitgefühl gilt allen unter dieser Tat leidenden, aber das, was nun als Echo durch die Medien- und Politlandschaft hallt, ist einmal mehr kaum zu ertragen.

Zu allem Überfluss waren es Sicherheitskameras, die die Aufklärung der Tat in Boston zu bewerkstelligen machten. Was nun geschieht, war absehbar. Reflexartig schreien einschlägige Politikgrößen nach mehr Überwachung, möglichst flächendeckend, fordern mehr Budget für eben diese. Zum Schutz der Freiheit.

Ich frage mich an dieser Stelle immer, was wohl Henne und was Huhn ist und ob sich das irgendwann verschieben wird.

Wir werden irgendwann, wenn wir diesen Weg weitermarschieren, die ersten Taten erleben, die weder politisch noch religiös motiviert sind sondern schlicht von dem Willen getrieben, ein mehr oder weniger durchgängiges Überwachungssystem auszutricksen, blosszustellen oder einfach, um dem eingeengten Geist, der angesichts durchgängigen Gefühls des Überwachtseins den Bezug zu sich selbst verliert, einen Freiheitsschlag zu erlauben. Das Unbehagen wächst, der Lebensraum wird eingeengt.

Wann kommt der Ruf nach dem Strichcode auf der Stirn, der von den Kameras erfasst werden kann, um auch wirklich immer eine sofortige Identifikation zu ermöglichen? Oder besser, einen GPS-Chip, im Nacken impantiert, der Ortung und Identifikation im öffentlichen Raum – und natürlich politisch garantiert nur dort – erlaubt? Natürlich alles ganz im Sinne des Schutzes unserer freiheitlichen Gesellschaftswerte, die wir mit allen Mitteln zu schützen haben.

Und bei alldem merken sie nicht, dass sie sich geschlagen geben, dass sie die Plattform der Täter vergrößern, indem sie ganze Völker für deren Taten bestrafen, durch Einschnitte in Freiheit und Rechte, durch Kontrolle.

Wenn wir uns irgendwann so gut geschützt haben, dass wir uns vor lauter Schutz nicht mehr bewegen können, wenn wir irgendwann so flächendeckend und ausgereift nach Tätern suchen, dass niemand mehr etwas öffentlich äußern mag, wenn wir irgendwann unsere Freiheit mit solcher Vehemenz verteidigen, dass wir sie in geschlossenen Räumen einsperren und behüten, dann werden wir wohl begreifen, dass wir alles verloren haben, unsere Freiheit, unser eigenes Denken, unsere Unschuld.

Manchmal ist die Kunst nicht, einer ungreifbaren Aktion entgegenzuwirken mit allem was man hat. Manchmal ist die Kunst die, das geschehene zu sehen und dennoch zu sagen „Wir lassen uns hiervon in unserem freiheitlichen Denken, in unseren Rechten, unserer Lebensweise nichts diktieren.“

Ergänzend hierzu nun bitte auch dieses Update lesen: Update

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