Viele Artikel wurden gestern geschrieben, viele Gründe gefunden, gegen die Drosselkom zu wettern, viele Themen, die es zu erklären und aufzurollen galt, Betrachtungen zum eigenen Onlineverhalten und zu potentiellen Entwicklungen der nächsten Jahre präsentiert.
Was aber bleibt, sind einige Kernpunkte, die sich kurz zusammenfassen lassen:
Angriff 1: Kontrolle!
Ich rede nicht von Kontrolle der Drosselkom sondern von unserer eigenen. Im Gegensatz zur Telefonie oder zum Fernsehen, im Gegensatz zu einem Zeitkontingent, ist ein Datenkontingent nur überwach- aber kaum vorausschauend kontrollierbar. Zu sehr hängt es von den technischen Bedingungen der anderen Seite ab.
– Ist der Video- oder Musikstream sauber und stark komprimiert oder überflüssig groß?
– Ist die Webseite mit Blick auf das Datenvolumen sparsam programmiert oder lade ich gerade Bilder in Vollgröße, die nur skaliert sind?
– Bekomme ich gerade durch technische Probleme der Drosselkom oder des Servers jede Menge beschädigte Pakete, die erneut angefordert werden müssen?
Als Nutzer entzieht es sich praktisch vollständig meiner Kontrolle, dieses im Vorfeld oder während des Surfens kontrolliert zu steuern. Ich sehe erst hinterher, wie Datenintensiv das war, was ich gemacht habe. Abgesehen von der Reduzierung der Surffreude, wenn man permanent den Datenzähler im Auge haben müsste, lässt das auch Raum für Manipulation.
Zum einen könnte die Drosselkom selber die Effizienz senken und das Datenvolumen erhöhen (ein Interesse daran könnte zumindest potentiell vorhanden sein) zum anderen könnte dieses System auch Opfer möglicher Schadsoftware werden, die stumpf Traffic verursacht. Eine Zeitbasierte Flatratebeschränkung kann ich zu 100% kontrolliert einsetzen, eine Volumenbasierte nicht.
Angriff 2: Rückschritt!
Das Internet ist in den letzten 15 Jahren mehr und mehr zur Pulsader unserer Gesellschaft geworden. Kommunikation, Information, Entertainment. Die Drosselkom war durch ihre Politik maßgeblich daran beteiligt, diese Entwicklung voranzutreiben, Bandbreiten zu erhöhen und das Konzept Flatrate in den Deutschen Markt zu schieben. Speziell im Bereich online-Entertainment stehen wir nun endlich.
Ja, wir stehen in den Kinderschuhen, aber immerhin stehen wir nun schonmal. VoD ist im Kommen, mit Steam ist ebenso eine sehr potente Plattform zum Onlinekauf von Spielen am Start, die großen TV-Sender haben recht gut gefüllte Mediatheken.
Dank HD kann ein Video heute aber gut und gerne mal 5-7 GB haben, im 3D-Bereich gerne auch mehr. In den nächsten Jahren werden wir erleben, dass HD und 3D zum Standard werden. Und in den Startlöchern steht 4k mit nochmals höherer Auflösung und einem weiteren Vielfachen des Datenaufkommens.
Wie bitte soll unsere Gesellschaft dieser Entwicklung standhalten, wie soll unsere Wirtschaft sich auf diese Entwicklung einstellen und sie mit vorantreiben, wenn bei denjenigen, die es tatsächlich benutzen nach 1-2 Tagen die Drossel greift und man ins digitale Steinzeitalter zurückgeworfen wird?
Der Download eines Films in DVD Qualität benötigt bei der angekündigten Drosselung ca. 23 Std.!! BluRay? Geht auch, dauert dann so 13 Tage für einen Film.
Diese Entwicklungsbremse ist in zweierlei Manier schädlich: Der Kunde wird vom Breitband abgeschnitten, was eine Komforteinbusse ist und den gesellschaftlichen Austausch schwächt, der Anbieter aber, das Wirtschaftsunternehmen, womöglich das kleine Startup mit innovativen Ideen, wird ebenso von seinen Kunden abgeschnitten…. Diese Unternehmen werden immer schön ab einem Zeitpunkt x im Monat – der mit fortschreitender Entwicklung immer früher kommt – einen Einbruch an Kunden wahrnehmen.
Mit zunehmender Bandbreite wären auch schon bald hochqualitative Gespräche via Videotelefonie möglich. Durch Drossel gebremst. Anwendungen, die über Netzanbindung laufen, die Chromebooks machen es vor, gebremst.
So macht man aus einem Land, das sich mal technische Vorreiterschaft auf die Fahnen schreiben konnte, ein technisches Entwicklungsland.
Angriff 3: Zugriffsbeschränkung auf die eigenen Daten!
Mittlerweile geht es noch einen Schritt weiter, ebenfalls ein Spiel, das die Drosselkom fleissig mitspielt. Dieser Schritt ist jener, der private Daten in der Cloud speichert.
Die Abhängigkeit des Nutzers von der Netzanbindung steigt. Private Fotos, private Videos, die Musiksammlung in der Cloud. Alles verbunden mit entsprechendem Datenaufkommen, Datenaufkommen, das früher auf der eigenen Festplatte passiert ist, passiert heute bereits über das www. Eine Drosselung beschränkt in diesem Fall nicht nur meinen Zugang zu Fremdinhalten sondern sogar meinen Zugang zu meinen eigenen Daten!!
Man stelle sich vor, ich möchte aus welchen Gründen auch immer meinen Cloudspeicher kündigen oder nur sichten und sortieren. Man stelle sich vor, man würde dafür – sagen wir mal – 120GB Daten bewegen müssen… oder mehr.
Angriff 4: Einschränkung von Gerätefunktionen!
Wenn ich mich heute in meinem Haushalt umschaue, finde ich diverse Geräte, die eine Netzanbindung haben, teilweise sogar brauchen. PCs, Notebooks und Tablets sind da ebenso im Sinn wie Smartphones. Hinzu kommen heute Sat-Receiver, Smart TVs, das Navi von Garmin oder Tomtom, das hin und wieder umfangreiche Kartenupdates von mehreren GB fordert (mein Garmin hat dankenswerterweise eine lifetime Kartengarantie, so dass ich alle paar Wochen update). Selbst meine e-Zigarette fordert hin und wieder ein Firmwareupdate ein.
Alleine Firmwareupdates von Geräten, Softwareupdates, Kartenupdates etc. pp. können mehrere GB an Daten verbrauchen. Man stelle sich vor, Windows will an Tag 25 des Monats, nach Inkrafttreten der Drossel ein größeres Update ziehen?!? Ein Kartenupdate Europa fürs tomtom zu Zeiten der Drosselung durchzuführen…. unmöglich!!
Angriff 5: Informationsblockade!
Nachrichtensendungen schaue ich übers Netz. Mit Kindern, Hund und Job bleibt oft einfach nicht die Option, sich auf die Zeiten der Tagesschau im TV einlassen zu können. Will man seine Nachrichten dennoch im Bewegtbild, so bleibt nur der Stream. Zu Zeiten der Drosselung…. undenkbar. Dokumentationen, die im TV aus welchen Gründen auch immer nicht ausgestrahlt werden?!? Unerreichbar.
Angriff 6: Verarsche!
Die Drosselkom zeichnet ein Bild vom fiesen Vielnutzer, der auf Kosten der armen wenignutzer Daten saugt. Mal ehrlich… wenn ich mit meinem Auto die Strasse in der ich wohne doppelt so oft benutze wie mein Nachbar, wird die Strasse dann für den Nachbarn schlechter? Klar, wenn alle gleichzeitig kommen, gibts Stau. Aber der regelt sich auch wieder von selbst und dann ist wieder freie fahrt. Mit gleichem Anspruch könnte man sagen, dass auf vielbefahrenen Autobahnen die Autos nach 200km Fahrt auf 30km/h gedrosselt werden.
Die Drosselkom argumentiert, dass Geld für den Netzausbau benötigt wird. Von mehreren dutzen Milliarden ist die Rede. Wovon redet sie da? Sie redet wohl davon, ALLE Haushalte in Deutschland mit 200Mbit Leitungen zu versorgen.
Wer fordert das? Die Drosselkom schaffte es binnen 2 Jahrzehnten nicht, vernünftige Leitungen mit auch nur 600oer Leitung überall hinzubekommen. Die Möglichkeiten waren da will ich meinen, die Investitionen wurden aber gescheut. Der Ausbau hätte meiner Ansicht nach schon lange da sein können. Dort, wo Netz ist, die nötige Bandbreite für die nächsten Entwicklungsschritte zur Verfügung zu stellen, kostet einen Bruchteil der proklamierten Beträge und liesse von den dicken Gewinnen der Drosselkom mehr als genug, für einen Ausbau der Netze auch in nicht erschlossenen Gebieten.
Stattdessen wird denen, die heute nicht in den Genuß eines schnellen Zugangs kommen suggeriert, dass diese Schritte zu ihren Gunsten passieren. Einen Zusammenhang können die Profis im Netz nur leider nicht erkennen, der das nahelegen würde.
Die Drosselkom spannt hier diejenigen, die sie bisher verarscht, vor den Karren, der die Verarsche für die, die in Zukunft verarscht werden sollen, transportiert.
Angriff 7: Der Angriff auf die Familie!
Angriff auf die Familie? JA. Datenvolumen steigt mit der Anzahl der Köpfe. Wenn eine Person mit 20GB auskommt, braucht ein Paar schon 40. Sind 2 Kinder im Teenageralter dabei…. jippie. Der Sohnemann schaut Abends seine US Serie im Stream, um englisch zu lernen, die Tochter skyped HD mit ihren Freundinnen, Mutti guckt einige Videos auf facebook oder g+ und Papa leiht sich aus der Online-Videothek Herr der Ringe Teil 26…. schwupp, 1 typischer Tag verbraucht 15 bis 20 GB oder mehr….
Angriff 8: Neutralität.
Kommen wir zum finalen Punkt dieser Betrachtung. Und zum entscheidensten. Die Neutralität des Netzbetreibers.
Was ist das? Neutralität des Netzbetreibers? Der Netzbetreiber darf als Diensteanbieter nicht die Möglichkeit haben, eigene Dienste bevorzugt zu behandeln. ALLE Daten aus ALLEN Quellen haben gleichberechtigt das Netz zu passieren. Bis zur Drosselgrenze ist das nach dem neuen Modell gegeben. Greift die Drossel… aus!
Heute mag das harmlos erscheinen. Tatsächlich dürften über 90% der Nutzer sich unterhalb, deutlich unterhalb dieser Grenze bewegen. Doch wie gesagt, die Entwicklung schreitet voran, technisch wie gesellschaftlich wird der Bedarf an Bandbreite wachsen.
In 5 oder 10 Jahren werden 75GB unter Umständen der typische Tagesbedarf an Daten einer 4köpfigen Familie sein. Grundversorgung ade.
Gleichzeitig aber nimmt die Drosselkom, Heilsbringer wie sie ist, die eigenen Produkte von der Drosselung aus! Und spätestens da beginnt der echte Skandal. Spätestens da muss jeder begreifen, dass das so nicht gehen kann. Videoload von der Drosselkom also unbegrenzt in HD und fullspeed, bei Watchever ist nach wenigen Filmen schluss. Telekom Cloudservices unbegrenzt mit Breitband. iCloud, Dropbox & Co nach ein paar Tagen des Monats praktisch unbenutzbar. Hier ergaunert man sich einen Vorteil, wohlwissend, dass in wenigen Jahren dieser Vorteil beständig immer größer wird. Und es stellt sich die Frage, ob es zum Beispiel Drosselkomkritische Inhalte im Breitbandkanal der Drosselkom zu sehen gäbe…
Nachtrag: Angriff 9: Vorratsdatenspeicherung!!!
Hatte ich garnicht auf dem Schirm. ABER: Sobald eine Volumenbasierte Abrechnung ins Spiel kommt, ist es abrechnungstechnisch für die Drosselkom nicht nur vertretbar sondern sogar notwendig langfristig die Surfbewegungen der Kunden zu protokollieren. Schliesslich könnten auch Monate nach einer Rechnung noch Einsprüche kommen auf Grund falscher Berechnungen. Die langfristige Speicherung von Kundendaten, IP Adressen etc. war gerichtlich kassiert worden, da Flatrates dieses Risiko der Rechnungen ausschliessen. Der Schritt hin zu volumenbasierten Tarifen öffnet diese Tür wieder.
Fazit: Es scheint, als sei hier etwas im Anmarsch, das wirklich auf vielen Ebenen nichts gutes bringt. Ein mögliches Rezept dagegen ist die Trennung von Netz und Dienst, nach der nun schon viele rufen. Stampft die Telekom zu einem Unternehmen ein, das nur noch die Netze verwaltet und lasst die Dienste von anderen Firmen machen. Der Interessenskonflikt, wenn eine Firma als Netzeigner und Dienstanbieter auftritt, zeigt sich hier sehr deutlich. Die ganze Aktion trifft Menschen in unterschiedlicher Weise, hilft aber niemandem und wird mit der Zeit immer mehr Menschen treffen. Die Drosselkom baut sich eine Melkmaschine…. setzend auf die Dummheit des gemeinen Dummbürgerschafes, das friedlich grasend auf der Wiese steht und wartet, dass es geschoren und geschlachtet wird, ganz darauf konzentriert zu geniessen, wie frisch und schön das Gras doch ist…. määääh.
Laut bleiben, weiter machen, laut bleiben.
Siehe auch: So viel verbrauch ich eh nicht… lass sie mal machen