Drosselstrike…

Und wieder Diskussionen über die Drosselkom. Der Hauptsturm scheint zum Erliegen zu kommen, aber auf Nebenschauplätzen geht es weiter (und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es wieder aufflammt).

Eine Sammlung von Argumenten und Informationen, die ich im Zuge der Diskussionen der letzten Tage zusammengetragen habe, ein wenig Blogkonform formuliert. Von daher können hier harte Themensprünge passieren und manche Gleichnisse mögen seltsam wirken, wenn man den beantworteten Kommentar dazu nicht kennt. Dennoch könnte es hilfreich sein:

Am Rande: So hanebüchen, wie diese Nummer in den Markt transportiert wird, und so plötzlich, wie sich nun genau die politischen Akteure zu Wort melden, welche bislang vehement ein Netzneutralitätsgesetz zu verhindern suchten, könnte ich mir sogar vorstellen, dass die CDU/FDP sich da mit ihren Freunden bei der Drosselkom angesichts der kommenden Wahl die Karten gelegt haben und das ganze ein riesiger Bluff ist, so dass unsere Regierung als Heilsbringer auftreten kann…

Nun denn. Es gibt scheinbar im Kern so ca. 3-4 Argumente, die für die Drossel sprechen oder zu sprechen scheinen:

1. Mehr Datendurchsatz = Mehr Leistung erbracht = Mehr Geld verdient.

2. Eine Pauschale ist ungerecht, Wenignutzer müssen für Vielnutzer mitbezahlen.

3. Die Datenmenge explodiert, das Netz droht zu kollabieren, das kann durch Drosselungen verhindert werden.

4. Andere Anbieter drosseln ja auch bereits.

Viel mehr ist mir bislang nicht begegnet. Falls Ihr weitere wisst, bitte immer her damit.

Nun würde ich sogar sagen, ein gestaffeltes Netz mit Zeit oder Volumenkontingenten ist generell garnix schlimmes. Solange man denn die Wahl hat. Das Problem bei dem T-Kom Modell ist, dass es erstmal nicht differenziert und zu einer künstlichen Verknappung führt, die nicht kontrollierbar ist.

Ein anderer Ansatz wäre z.B., mit gedrosselter Bandbreite „normal“ unterwegs zu sein und bei Bedarf ein „Turbokontingent“ einsetzen zu können, wäre doch okay. Inakzeptabel sind allerdings Bandbreiten, die auf ISDN Niveau liegen und nichtmal die normale Nutzung z.B. Eines YT streams in SD qualität zulassen.

Ein standard bei 2000er oder 3000er mit „Turbo“ zum Zuschalten für spezielle Dinge bei Bedarf, wäre ein ganz anderer Sang.

So, wie es die Telekom aber macht, mit einem Limit, das ab dem ersten Tag runtergearbeitet wird, sitzt der Nutzer am Ende des Monats auf dem Trockenen. Für YT und normales surfen mit 2000er oder 3000er Leitung unterwegs zu sein, aber für den Spieledownload mal eben das Tempo hochschalten, wäre ein anderer Sang.

Der Telekom geht es aber im Endeffekt um nichts anderes als um den Verkauf von Zusatzpaketen, kein anderer Grund spricht für die vorgeschlagene Drosselung. Dass nun ausgerechnet ein teilstaatlicher Betrieb mit Versorgungsauftrag sich berufen sieht, als erster in diese Bresche zu springen und den meistbenutzen Flächentarif zu limitieren?!? Das ist schwer verständlich.

Polemisch gesagt: Anstatt sich den Herausforderungen des Marktes zu stellen und den Bedarf flächendeckend zu erfüllen entscheidet sich die Telekom, die Innovationsnotbremse zu ziehen und zu rationieren anstatt die Kapazitäten zu erhöhen.

Die Kostenstruktur liesse sich dabei aber Problemlos auch anpassen, ohne dabei wettbewerbsverzerrend zu sein und Falschbehauptungen zu streuen. Echte Vielnutzer zahlen nämlich auch heute schon mit Vergnügen mehr, als der Otto-Normalverbraucher, weil sie die jeweils schnellsten Zugänge haben wollen, die entsprechende Mehrkosten verursachen oder aber weil sie Bezahlangebote in Anspruch nehmen, um hochwertige Inhalte zu erhalten.

Vor 5 Jahren war schon absolut klar, dass VoD kommen würde. Schon vor 10 Jahren stellten sich die Anbieter dem Problem, da Filesharing aufkam und klar wurde, dass man sich diesem Trend nicht lange würde verschliessen können. Auch das ist ein Grund, warum denn die Bandbreite kontinuierlich erhöht wurde. Und nun, wo es in breiten Teilen der Bevölkerung angekommen ist, wird die Hand aufgehalten…. Dabei geht es nicht darum, generell limitierte Pseudoflats zu kritisieren, die sollen sein, die haben eine Berechtigung. Solange ich als Kunde a) die Wahl habe und b) der Anbieter sich keinen Vorteil davon verschafft, eigene Angebote bevorzugt zu behandeln. Verschiedene Tarife für verschiedene Menschen. Zeitlimits sind denkbar, die kann der Nutzer wenigstens zuverlässig kontrollieren, oder eben, wie oben gesagt, Volumenlimits bei denen der Nutzer steuern kann, wann und wofür er sein Highspeedvolumen nutzt und bei denen er außerhalb dieses Highspeedvolumens nicht auf inakzeptable Geschwindigkeiten zurückfällt.

1. Der Datenverkehr vermehrt sich explosionsartig:
Deutschland hat eine Überversorgung an Backbonekapazität, einzig der von der T-Kom besetzte Bereich der letzten Meile, um den sich andere Anbieter, speziell Regionale, kloppen würden, auf dem die T-Kom aber sitzt wie die Henne auf dem Ei, hat erhebliche Lücken, die aber mit der Bandbreite des Gesamtnetzes überhaupt nix zu tun haben.
2. Die Vielnutzer würden ungerechterweise einen Vorteil erfahren:
Straßenbau wird von unseren Steuergeldern erwirtschaftet, und größtenteils nicht aus der Spritsteuer. Sind nun die Wenigfahrer einem Nachteil gegenüber den Vielfahrern ausgesetzt? Das Internet ist eben keine Ressource wie Gas oder Öl, das man „verbraucht“ sondern nur die Straße, die ein bisschen gewartet werden muss und vielleicht hin und wieder mal dem Bedarf anzupassen ist. Wer würde hier wohl wie gucken, wenn der Wasserversorger plötzlich separat Rohrleitungsmiete kassieren wollte und nach 2000 Liter Verbrauch im Monat die Zufuhr auf 10 Liter am Tag drosselt bei max. 0,5 Liter pro Stunde? Das wäre der passende Vergleich, nicht der, mit Gas, Öl, Wasser selbst oder sonst einem Rohstoff. Wir reden „nur“ von der Leitung. Tatsache ist: Diese Leitung muss für jeden Nutzer gleichermassen gepflegt und gewartet werden, damit im Moment des Bedarfs die Kapazität da ist. Ganz im Gegenteil erfährt der Wenignutzer einen Vorteil durch die Vielnutzer, weil eben die es sind, die die Entwicklung vorantreiben und die dafür sorgen, dass der Anbieter das Netz in Schuß halten muss.
3. Andere Anbieter drosseln auch:
Ja, tun sie, mit verschiedenen Modellen. ABER, a) hat die Telekom als teilstaatlicher Netzbetreiber einen Versorgungsauftrag, das haben private nicht. b) verschaffen sich die anderen hierdurch keinen Wettbewerbsvorteil, weil auch eigene Inhalte mitgedrosselt werden, wenn es soweit ist.

Es gibt eine Wettbewerbsverzerrung da die TKom sowohl als Netzbetreiber als auch als Diensteanbieter auftritt. Ein Video on Demand Abruf bei der TKom über die Tkom eigene Plattform Videoload kostet Filmmiete. Der gleiche Film bei Maxdome, Watchever oder Lovefilm ebenso. Der Videoabruf bei der Tkom ist immer möglich, da inkludiert auch nach der Drosselung mit voller Geschwindigkeit geladen wird. Hierfür bezahle ich bereits extra, nämlich die Dienstleistung, mir den Film zu mieten!!! wenn ich nun für den 4. HD Film im Monat die Wahl habe, Tkom ohne noch zusätzliche Mehrkosten oder ein anderer Anbieter, aber dafür Mehrkosten bei der Tkom in Kauf zu nehmen, liegt der Vorteil beim eigenen Inhalt der Tkom. Soweit verständlich? Ab dem Zeitpunkt der Drosselung legt die Telekom einen Schlagbaum vor andere Dienstleister und fordert Geld für den Zugriff.
Das ist in etwa so, als wenn dem Lidl die Strasse gehört und ab einem Aldi- Einkaufsvolumen von 200 Euro der Lidl einen Strafzoll für den Zugang zum Aldi fordert.
Es gibt die Ware, das ist der Film, für diesen bezahle ich extra. Ebenso wie für das Ticket fürs Stadion. Das ist die Leistung, die ich in Anspruch nehme. Und es gibt das Netz, das ist die Straße, die zum Stadion führt.
Bei 1&1 werden in der Drosselung alle Inhalte gebremst soweit ich weiß. Das ist doof, aber wenigstens keine Nötigung, um die eigenen Inhalte im Markt zu platzieren und zu bevorzugen in der Eigenschaft als Netzbetreiber.

Das Datenvolumen macht faktisch keine Probleme weil an den relevanten Punkten noch immer reichlich mehr Kapazität zur Verfügung steht, als gebraucht wird. Diesem Problem könnte sich die Telekom aber auf der anderen Seite auch durch eine allgemeine Reduzierung auf 16000k entziehen sowie nach unten abgestuft für Kleinverbraucher langsamere Zugänge zur Verfügung stellen. Stattdessen wird ein Modell gefahren, dass Peaks nicht verhindert aber den eigenen weiteren Produkten einen Vorteil verschafft.
Man kann Datenvolumen nicht an Stelle von Bandbreite addieren, das ist ein Denkfehler.

Viele verpassen übrigens in all ihren „Rechnungen“ den Blick auf die sich stetig erhöhende Datendichte. Man gucke sich mal eine 50 GB Festplatte von 1999 an und einen 128 GB USB Stick von Heute. Dann schaue man, wie viele Daten man in einen LKW bekommt, wenn entweder nur Festplatten oder nur USB sticks drin liegen. Kompression von Daten und Erhöhung von Taktungen haben den gleichen Effekt im Netz. Die Menge an Leitung, die für ein GB benötigt wird, wird somit immer geringer. Ich kann halt, um bei Ihrem LKW Bild zu bleiben, heute in einer Alditüte die gleiche Menge Daten transportieren, für die vor 20 Jahren noch ein 40Tonner nötig war. Wenn der Bedarf nach Dreisatz da nicht klar wird, hat jemand die Mathematik nicht verstanden.

Es wurde an diversen Stellen beschrieben, was in internationalem Konsens als Netzneutralität erachtet wird. Diese wird in Deutschland bislang nicht gesetzlich geschützt. Die Telekom macht sich dies, völlig legal, zu nutze. Moralische Fehlgriffe, wenn man denn Neutzneutralität als erachtenswertes Gut befindet, muss sie sich allerdings ankreiden lassen. Das ist hier kein Rechtsgutachten sondern die Äußerung einer Meinung. Vor dem Hintergrund dieser letzten Ankündigung der Telekom, wird nun der Aufschrei laut, die Netzneutralität endlich gesetzlich zu fixieren.

Unter den Anbietern wird weiters nach gemieteter Bandbreite, nicht nach Datenvolumen abgerechnet. Eben mit dem Versuch, eine Datendurchsatzbasierte Abrechnung durchzusetzen, ist die T-Kom mehrfach gescheitert. Fixkosten gelten des weiteren auch für die Strecke zum Verteilerknoten. Diverse Anbieter bieten eigene Netze. Ebenfalls werden Backbones von verschiedenen Firmen betreut, da hat die Telekom keine Monopolstellung. Die TAL (Teilnehmeranschlussleitungen = letzte Meile) sind das einzige, wo die T-Kom noch versuchen kann, ihre Wünsche nach Durchsatzbasierter Abrechnung und Sortierung der Dienste durchzusetzen. Alle Versuche, dies in Richtung der Diensteanbieter durchzusetzen, sind kläglich gescheitert. Jetzt solls wohl über den Endverbraucher ausgespielt werden.

Kosten für den Ausbau der Leitungen müssen sauber kalkuliert in den Kosten enthalten sein, dann ist auch die Finanzierung kein Problem. Glaubt man den Zahlen der Internet-Enquete, ist das aber im Moment der Fall und der Ausbau stockt keineswegs. Punktuelle Engpässe kann auch eine limitierte Volumenflat nicht ausmerzen.

Berichte über ein „Überlaufen“ des Netzes kenne ich natürlich auch, aber sie beziehen sich soweit ich mich entsinnen kann alle auf den schlechten Ausbau der TAL, nicht auf Backbones, nicht auf Verteilerknoten. In diesem Bereich eilt die technische Entwicklung nämlich bereits seit Jahren dem Bedarf vorraus, weswegen wohl auch die Flatrates in den Markt gedrückt wurden, um die Menschen dazu zu bringen, vorhandene Kapazitäten auch zu nutzen…

Und zu guter Letzt: Die Telekom ist immer noch teilstaatlich. Da sollte Bürgerinteresse eine Rolle spielen. Zum zweiten, wahrscheinlich dominant, rüttelt das „währet den Anfängen“ auf. Ist die Büchse der Pandora erst offen, folgt mehr…
Das Problem primär von der Betriebswirtschaftlichen Seite zu betrachten, bietet sich an, aber reicht nicht aus. Da kann man dann vortrefflich streiten, ob technisch nun dies oder das gerechtfertigt ist, ich glaube, dass es technisch nicht gerechtfertigt ist, andere glauben das schon. Okay. Da hier viele Faktoren eine Rolle spielen, die sowohl andere als auch ich nur aus Sekundärquellen ziehen und bewerten können, können wir uns da bis zur Unendlichkeit gegenseitig an den Kopf werfen, dass unsere Informationen jeweils falsch seien, der Erkenntnisgewinn ist gleich Null.

Ich beziehe aber darüber hinaus aber noch volkswirtschaftliche Aspekte sowie gesellschaftlich-soziale Aspekte (innovationsbremse, Informationszugang etc.) mit ein, die die Gleichung (die sich unter Einbeziehung dieser Faktoren mit den Grundrechenarten nicht mehr bewältigen lässt) zu Ungunsten der Telekom-Haltung verschieben. Als teilstaatliches Unternehmen ist es dabei, im Gegensatz zu Vodafone oder O2, durchaus legitim, an die T-Kom auch volkswirtschaftliche und gesellschaftspolitische Massstäbe anzulegen, denke ich.

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