Viele meiner Bekannten finden den Gedanken der wohl anstehenden Großen Koalition garnicht mal schlecht, ja sogar reizvoll. Da wird von der überragenden „Handlungsfähigkeit“ fabuliert, man könne endlich mal Dinge bewegen, ohne sich in Grabenkämpfen zu ergehen und alles in allem sei das doch auch mal ganz gut.
Nun denn, ich möchte dazu folgendes sagen:
JA, „Handlungsfähigkeit“ trifft es ganz gut. Bei einem Oppositionsanteil von gerade mal 20% kann man die Opposition auch einfach weg lassen, reichen doch 20% nicht mal, um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn man es für notwendig erachtet…
Von einer Opposition muss man sich also als Regierungskoalition dann nicht mehr stören lassen… die Opposition verkommt zum Zierrat im Bundestag. Demokratisches Regulativ? Geschichte!
Bleibt der Bundesrat, der allerdings auch nicht ganz schlecht für Schwarzrot aussieht. Momentan kämen CDUCSUSPD dort auf 27 Stimmen von 69, angenommen, es gäbe auch in Hessen die Große Koalition wäre man bei 32 Stimmen… ein weiteres Bundesland mit mehr roter oder schwarzer Beteiligung und die Mehrheit steht auch da…
Heute wurde verstärkt die Befürchtung laut, dass die neue Große Koalition das Grundgesetz mit 80% im Bundestag ohne weiteres ändern könne. Nun, ganz so leicht ist es dankenswerterweise nicht, denn so einfach es mit 80% der Stimmen im Bundestag wird, so würden dazu dann obendrein noch 2/3 des Bundesrats nötig werden, also ein Stimmgewicht von 46 Stimmen im Rat.
Davon sind wir dann doch relativ weit entfernt, da dankenswerterweise die Landesparlamente dann doch etwas besser durchmischt sind als auf Bundesebene.
So gesehen müsste man sich zumindest darüber, zumindest im Moment, keine Sorgen machen. Sollte sich das Grundsätzlich ändern und eine Regierung mit Mehrheit im Bundestag und Bundesrat tatsächlich Grundgesetzänderungen grundsätzlicher Natur durchzubringen versuchen, die speziell Art. 1 oder Art. 20 des Grundgesetzes angriffen, stünde dem Volk (so es denn wach und willens ist) immer noch Art. 20 zur Verfügung, speziell Artikel 20-4:
Artikel 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Aber bis dahin scheint es noch ein relativ weiter Weg….
Was nichtsdestotrotz bleibt, ist ein äußerst fader Beigeschmack beim Gedanken an eine Regierung, die praktisch nach Gutdünken schalten und walten kann, speziell, wenn dem ganzen eine Kanzlerin vorsteht, die in letzter Zeit des öfteren durch „Dann muss man das einfach machen und nicht lang diskutieren“-Aussagen aufgefallen ist.
Bleibt also abzuwarten, was nun passiert…nun, wo wohl oft einfach nicht mehr lang diskutiert werden muss…
Wird die neue Regierung etwas unternehmen, um Partizipation der Opposition sicherzustellen? Werden demokratische Grundwerte durch diese Konstellation unterminiert? In welche Richtung wird sich das alles entwickeln…
Naja, womöglich wird es einfach nur das altbekannte Dümpelspiel und SPD und CDU gönnen sich gegenseitig das gelbe im Ei nicht… warten wir mal ab… alles in allem kann ich nur sagen, dass ich kaum glauben kann, dass diese Entwicklung der Demokratie zum Guten gereichen kann…