2034…. schöne neue Welt – Ein Ausblick

DSC_0753Googles Chef Eric Schmidt und einer seiner Mitarbeiter, Jarred Cohen, der maßgeblich an der Zukunftsstrategie Googles beteiligt ist, haben ein Buch namens „Die Vernetzung der Welt“ in selbige gesetzt, preisen darin die digitale Revolution und die großartige erwartete Entwicklung und propagieren eine sehr eigene Ideologie.

Nun muß man zweifelsohne sagen, dass das Wort dieser Männer Gewicht hat. Schon deshalb, weil es sich nicht um Autoren fiktionaler Werke sondern viel mehr um Männer, die echten, realen Einfluss auf die Entwicklung haben, handelt. Dennoch halte ich den Blick, der in der Tagespresse beschrieben wird, für verklärt. Wie überall wo man in einem sehr speziellen, sehr eigenen Mikrikosmos lebt, was Google in seiner einzigartigen Marktstellung sicher tut, verliert man manche Faktoren aus dem Fokus, gewichtet sie nicht richtig, unterschätzt die eigene kritische Masse, bei der Gewisse Teile eines Konstrukts aus sich selbst beginnen, in sich zusammenzufallen.

Ich möchte diese Gelegenheit aufgreifen, mal darüber zu sinnieren, wie sich die nächsten Jahre entwickeln könnten.

Den von Schmidt und Cohen geschilderten Blick finde ich wie gesagt recht verklärt, streift er doch zum Beispiel nur am Rande die Ballung an Informationen und die Profilierung von Nutzern, die gerade Unternehmen wie Google betreiben. Hierin liegt auch meiner Meinung nach der Schlüssel zur Entwicklung der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Zunehmende Transparenz, der Kontrollverlust über die eigenen Daten und die fortschreitende Profilierung jedes Einzelnen.

Schon in wenigen Jahren werden IP-Telefonie und IPTV an der Tagesordnung sein und eine bis dato nicht geahnte Markt- und vor allem Nutzertransparenz herstellen. Wo heute zum Beispiel noch speziell ausgewählte einzelne ein Feedback über ihr TV-Konsumverhalten geben, werden schon in wenigen Jahren alle Fernseher vernetzt sein. So wird es nicht mehr nur möglich sein, eine statistische Ermittlung etwaiger Zuschauerzahlen vorzunehmen, sondern tatsächliche Zahlen, in Echtzeit zu ermitteln und darüber hinaus sogar noch Feedback einzusammeln, indem man dem Zuschauer die Möglichkeit nahebringt, ein Programm direkt zu bewerten, ob nun über ein facebook-like oder Teilen in einem anderen Social Network oder über eine simple 5-Sterne Auswahl wie bekannt aus diversen anderen Plattformen. Diese Form des Feedbacks ist etwas tolles, gibt sie dem Nutzer doch ein Gefühl der Teilhabe, ohne dass sie auch nur das geringste bewirken können, ausser einen Zähler in einer Datenbank um den Wert 1 anzuheben.

Weitere 5 Jahre später wird der typische verkaufte Fernseher über eine eingebaute Webcam verfügen, um die Nutzung von Videodiensten wie Skype zu ermöglichen oder gestengeführte Steuerung der Geräte selbst zu ermöglichen. Ein kleiner weiterer Schritt wäre es, diese Cam dann gleich auch zu verwenden, um die Zuschauerdaten noch präziser zu erfassen und zu „sehen“, wie viele Zuschauer die Sendung an diesem Gerät gerade sehen. Dabei könnte man dann auch gleich über Gesichtserkennung protokollieren, ob denn tatsächlich dem Programm auf dem Bildschirm gefolgt wird, oder ob das TV nur „nebenher“ läuft.

Solche Geräte hingen in Wohnzimmern, Küchen und Schlafzimmern. Paranoiker würden wohl anfangen, die Kameras mit schwarzem Klebeband zu verdecken, wenn sie nicht benötigt würden, die meisten aber würden es entweder garnicht begreifen oder einfach hinnehmen. Man hat ja schliesslich nichts zu verbergen.

Wirtschaftsunternehmen werden sich vernetzen, Profile zusammenlegen. Welche Martkmacht, über die schon vorhandene hinaus, könnte Amazon entwickeln, wenn es voll auf die Profilarbeit von Google zurückgreifen könnte?

Es bringt dem Nutzer ja auch viele Vorteile, eine bessere Abstimmung des Programms auf die eigenen Bedürfnisse, ein perfekt auf mich zugeschnittenes Interneterlebnis, weil Google mich inzwischen besser kennt als meine Familie und meine Gedanken schon erahnt, bevor ich sie selber denke. Das weckt aber auch große Begehrlichkeiten bei Staaten und Informationsdiensten, die mit Hilfe weniger Schlüsselpositionen im Netz nahezu unbegrenzten Zugang zu Nutzerprofilen und privaten Informationen und Kommunikationen erlangen können…

1984 kommt, aber anders. Wir werden die totale Transparenz des Bürgers, die Neusprech-Arien und die Profilierung des Bürgers nicht als Unterdrückung, sondern als Service wahrnehmen, weil uns genau das von Unternehmen und Staaten beigebracht wird. Das Netz ist so unübersichtlich, da brauchen wir Hilfe, um uns zurechtzufinden. Diese Hilfe bietet Google uns mit Freuden an, und um diese Hilfe möglichst gut anbieten zu können, passt Google genau auf, was wir so machen, protokolliert unsere Bewegungen im Netz, sammelt unsere Interessen, fährt durch die Gegend und macht Fotos von unseren Häusern, protokolliert im Mobilfunknetz unsere Bewegungen und unsere Kontakte.

Der Staat, wohlwissend um diesen Schatz an Informationen, natürlich sicherheitsrelevanten Informationen, denn was könnte sicherheitsrelevanter sein als die Frage, wie viele Stunden ich wöchentlich Fernsehe, im Netz unterwegs bin und was ich so gut oder schlecht finde, wird sich diese Informationen umfassend nutzbar machen. Die USA machen es heute schon vor, die anderen werden folgen. In der westlichen Welt aber heisst das nicht Überwachung oder Unterdrückung sondern Sicherheit und Service.

In Summe werden die westlichen Gesellschaften diese Entwicklung nicht nur akzeptieren, sondern sogar gutheißen. Gutheißen, dass durch umfassende Protokollierung der Netzaktivität, VDS und Bestandsdatenauskunft die „Sicherheit“ gewährleistet wird. Gutheißen, dass jeder Bürger der sich im Netz bewegt quasi einen digitalen, virtuellen Strichcode auf die Stirn tätowiert bekommt. Autos haben ja auch Nummernschilder, werden sie sagen, und damit rechtfertigen, dass im Netz Menschen Nummernschilder erhalten sollen. Innerhalb der nächsten Jahre werden die Propagandaaussagen der Regierungen sich so verfestigt haben, dass Dinge wie de-Mail oder der biometrische Ausweis in der Gesellschaft angenommen werden, und weitere Türen für umfassende Kontrolle öffnen. Es wird, das ahne ich einfach mal, dahin kommen, dass jeder Netzverbundene Rechner eine Identifikationsschnittstelle hat, dass Netzzugang nur nach vorheriger Identifikation durch den elektronischen Pass oder ein Äquivalent selbigens gewährt wird.

Im Alltag werden diese Schritte untergehen, Nicknames werden erlaubt bleiben, wegen der Privatsphäre, dennoch werden wir wissen, dass jeder unserer Schritte zu unserer eigenen Sicherheit protokolliert und nachverfolgbar bleibt. Nicht so richtig bewusst, aber es schwebt so latent im Raum.

Auch in der off-keyboard Welt wird es Veränderungen geben. Schon heute wird der Ruf der Obrigkeit nach „passiver Sicherheit“ immer lauter. Dateien mit potentiellen Straftätern, Kameraüberwachung des öffentlichen Raums, bald schon mit leistungsfähiger, akkurater Gesichtserkennung. Quick Freeze um gleich mal hunderte von Handybesitzern, die sich so grob im Umfeld eines Verbrechens (oder auch nur einer politischen Demo) aufgehalten haben, zuverlässig zu identifizieren und befragen zu können. Der Strichcode auf der Stirn wird im off-keyboard-Leben angekommen sein.

Ferner sehen wir schon heute im Bereich der Netzentwicklung in den USA und der EU eine Tendenz, die Liberalisierung zurückzufahren, sie zu einem Scheinwettbewerb zu verfremden, in dem letzlich den alten Monopolisten auf anderer Basis zu neuer Macht verholfen wird. Alles natürlich zum Wohle der technischen Entwicklung und weil es „alternativlos“ ist. Es ist aber eben auch einfacher, einen Markt mit wenigen steuernden Teilnehmern zu kontrollieren, als einen liberalisierten Markt mit hunderten, ja tausenden von Akteuren.

Wir werden in einer schönen, funktional-serviceorientierten Welt voller Sicherheit und Überwachung enden. Sicherheit und Überwachung, die sich so nahtlos in unseren Alltag einfügen, dass wir sie kaum mehr wahrnehmen werden. Sicherheit und Überwachung, die angenehm dezent im Hintergrund werkeln, protokollieren, analysieren, Vorhersagen treffen.

Nur wenn wir dann mal wieder zufällig mitbekommen, dass in unserer Nachbarschaft die Polizei aufschlägt, weil der 12jährige Sohn im Netz einen unflätigen Kommentar abgesondert hat, wenn wir dann merken, dass systemkritische Stimmen im Netz verstummen, wenn dann die Polizei bei uns selbst vor der Tür steht, weil wir uns zufällig in einer Parallelstrasse eines kleinen Autonomenaufstands aufgehalten haben, dann werden wir daran erinnert werden,  und dass schon heute die Bewegung im Netz nicht mehr und nicht weniger als eine natürliche Bewegung in unserem natürlichen Lebensraum ist, nicht anders, als die physische Bewegung auf der Strasse oder im Einkaufszentrum….

Schöne neue Welt…. Sicher und Frei….

Bin mal gespannt, ob sich davon etwas bewahrheiten wird…

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